Flexible ÖPNV-Tickets für Pendler*innen im Homeoffice
Neue Arbeitswelt,
neue Mobilitätsbedürfnisse
Homeoffice statt Büro heißt es seit Beginn der Coronakrise für zahlreiche Arbeitnehmer*innen. Damit haben sich die Mobilitätsbedürfnisse vieler Berufspendler*innen verändert: Nicht alles, aber manches ist anders. Verkehrsunternehmen reagieren darauf mit flexiblen ÖPNV-Tickets.
Bedingt durch die Corona-Pandemie befinden sich derzeit zahlreiche Arbeitnehmer*innen im Homeoffice oder in Kurzarbeit. Sie fahren nur noch tageweise zur Arbeit und sind folglich auch nur dann mit Bus und Bahn unterwegs. So hat die Krise sowohl die Arbeitswelt als auch die Mobilitätsbedürfnisse vieler Berufspendler*innen verändert. Genau diese Entwicklung zeigt auch der Nahverkehrstracker des Branchenverbands VDV. Demnach bleiben Arbeitnehmer*innen, die zeitweilig von zu Hause arbeiten, dem öffentlichen Nahverkehr zwar im weit überwiegenden Maße treu, aber sie greifen auf flexiblere Ticketangebote zurück, die den flexibilisierten Bedürfnissen gerecht werden. „Dauerbrenner“ wie Monats- oder Jahresabos entsprechen in Zeiten von Pandemie-Beschränkugen nicht mehr den Mobilitätsbedürfnissen aller Pendler und Pendlerinnen. Um ihre Stammkundschaft während der Pandemie zu halten und neue dazuzugewinnen, bringen erste Verkehrsunternehmen jetzt flexible, attraktive Ticketangebote voran, wie folgende Beispiele zeigen:
HNV macht auf günstigere eTickets aufmerksam
Dem Heilbronner • Hohenloher • Haller Nahverkehr (HNV) zufolge rechnet sich ein Monatsticket bei mindestens 20 Arbeitstagen im Monat, ein Jahresabo bei zehn Arbeitstagen in Monat. Wer nun sehr flexibel zwischen Homeoffice und Arbeitsplatz wechselt, sollte als Kundin oder Kunde des baden-württembergischen Verkehrsverbunds das (((eTicketHNV in Erwägung ziehen. Darauf hat der HNV m Zuge der Pandemie verstärkt aufmerksam gemacht.
Das (((eTicketHNV funktioniert fast wie ein Abo, im Kundenkonto werden aber nur Einzelfahrten abgerechnet. Der Kunde erhält eine Chipkarte, die er bei Fahrtantritt und Fahrtende zum Ein- und Auschecken an ein Kartenlesegerät hält. Der Fahrpreis wird ermittelt und per Lastschrift abgebucht. Der Vorteil gegenüber regulären Einzelfahrten: Beim (((eTicketHNV wird automatisch ein Preisvorteil von rund 25 Prozent berücksichtigt. Der Tageshöchstsatz, der dem Preis einer Tageskarte entspricht, wird dabei nicht überschritten – egal, wie oft der Fahrgast an diesem Tag in Bus und Bahn unterwegs ist.
DB führt 20-Fahrten-Ticket ein
Auch die Deutsche Bahn (DB) hat auf die Pandemie-veränderte Arbeitswelt reagiert und im Fernverkehr das 20-Fahrten-Ticket eingeführt. Dieses bietet Pendler*innen mehr Flexibilität auf IC-, ICE- und EC-Verbindungen.
Fahrgäste buchen mit dem Ticket 20 Einzelfahrten für eine festgelegte Strecke, ohne dabei auf eine bestimmte Verbindung festgelegt zu sein. Die 20 Fahrten löst der Kunde innerhalb eines Monats ein. Das neue DB-Ticket ist sowohl für die 1. als auch 2. Klasse erhältlich, und zwar im Sinne der Umwelt ausschließlich online. Im Vergleich zu einer regulären Monatskarte können Pendler*innen auf gleicher Strecke bis zu 33 Prozent beim Preis sparen.
Zu den Beweggründen für das 20-Fahrten-Ticket erklärt DB-Fernverkehrschef Michael Peterson: „Das Homeoffice gehört zunehmend zum Arbeitsalltag. Viele fahren nicht mehr jeden Tag zu ihrem Arbeitsplatz, sondern arbeiten einen oder zwei Tage pro Woche von zu Hause aus. Diese Kunden brauchen Flexibilität, und diese bieten wir mit dem 20-Fahrten-Ticket. Die Arbeitswelt entwickelt sich – und wir halten Schritt.“
VVS beschließt Einführung von 10er-TagesTicket
Auch der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) handelt nach dem Motto „Wenig fahren, wenig zahlen“ und hat im April ein neues Tarif-Angebot aufgenommen: Das 10er-TagesTicket richtet sich vornehmlich an Arbeitnehmer*innen im Flexoffice.
Fahrgäste können sich die Fahrkarte per App zulegen und innerhalb eines Monats an zehn Tagen unterwegs sein. Welche Tage das sind, ist den Fahrgästen überlassen. Auch den Zeitraum der Fahrten dürfen sie flexibel wählen. Denkbar ist beispielsweise vom 24. April bis zum 23. Mai. Das Ticket gilt für insgesamt zehn Tage in diesem Zeitraum. Die Kosten für das 10er-TagesTicket sind abhängig von der Preisstufe. Mit fünf Preisstufen beim VVS fünf liegt die Preisspanne des 10er-TagesTickets zwischen 39,90 und 99,90 Euro.
Zur Einführung des 10er-TagesTickets erklärt VVS-Geschäftsführer Horst Stammler: „Mit diesem flexibel einsetzbaren Ticket haben wir nun kurzfristig eine attraktive Alternative für die Kunden, für die sich ein klassisches Abo nicht mehr lohnt. Das neue Angebot ist wichtig, damit wir diese Kunden weiterhin an den ÖPNV binden und nicht dauerhaft verlieren.“
Es geht bei dieser Entscheidung allerdings nicht nur darum, die Kundschaft zu halten. Geschäftsführerkollege Thomas Hachenberger erklärt: „Wir möchten mit dem neuen Angebot durchaus auch Neukunden gewinnen, denn wir schließen damit die Tariflücke zwischen dem Gelegenheitsverkehr und den klassischen Zeittickets. So schaffen wir auch einen Anreiz für Menschen, die selten fahren, öfter in Bahnen und Busse zu steigen.“
Bei dem 10er-TagesTicket soll es übrigens nicht bleiben: Das Angebot ist dem Verkehrsunternehmen zufolge ein Zwischenschritt zu einem „Flex-Abo“, das einen längeren zeitlichen Vorlauf braucht, bis es umgesetzt werden kann.
Flexible Tickets im ÖPNV – das sagt der Branchenverband
Wie sich die Thematik um das Homeoffice weiterentwickelt, kann laut Verband Deutscher Verkehrsunternehmen noch nicht mit genügender Genauigkeit prognostiziert werden. „Bäcker*in, Handwerker*in, Krankenpfleger*in und Apotheker*in werden nicht permanent von zu Hause arbeiten können – dieser Effekt sollte daher nicht überschätzt werden. Sicher ist, mit unseren Abo-Monats- und Jahreskarten haben wir attraktive Angebote“, so VDV-Präsident Ingo Wortmann. Laut Branchenverband rechnen sich diese in den meisten Verbünden, auch wenn nicht jeden Tag gefahren wird. Zudem sei mit diesen Ticketangeboten auch die Mobilität im Freizeitverkehr sowie bei Besorgungsfahrten möglich, ohne zusätzliche Fahrtberechtigungen erwerben zu müssen. „Selbstverständlich müssen wir für alle Gelegenheitskunden und für die, die künftig vermehrt von zu Hause arbeiten, flexibler in unseren Angeboten und Tarifen werden. Dann werden wir auf Sicht wieder an die hohen Fahrgastzahlen herankommen“, so der VDV-Präsident.
Fazit – Ticketsortiment bekommt flexiblen Zuwachs
Das Ticketsortiment der Verkehrsunternehmen ist bereits breit gefächert. Doch eine sich verändernde Arbeitswelt erfordert neue ÖPNV-Tickets. Die ersten Verkehrsunternehmen und -verbünde reagieren und entwickeln Angebote, die dem veränderten Mobilitätsverhalten vieler Berufstätiger zwischen Homeoffice und Büro gerecht werden. Die Modelle variieren, bergen aber allesamt das Potenzial, bestehende ÖPNV-Kunden zu halten. Und damit nicht genug: Durch die neu dazugewonnene Flexibilität können Bus und Bahn auch für weitere Kund*innen wieder zu einer Option werden bzw. eine Alternative zum Auto sein. Der Wiedereinstieg in Bus und Bahn während und nach der Pandemie wird so erleichtert.